Auf den Spuren der Etrusker
Wer Interesse an Archäologie hat, findet in Italien nicht nur zahlreiche Relikte aus römischer Zeit, sondern auch von noch früheren Völkern. Vor den Römern herrschten die Etrusker in der Region der heutigen Toskana, Nordlatiums und Umbriens und hinterließen hier ihre Spuren. Auch wenn viele von den Hinterlassenschaften später von den Römern ausgelöscht wurden, findet man noch heute interessante Relikte aus dieser Zeit.
Dabei mag es Zufall sein, dass das Hauptgebiet der Etrusker zu den schönsten Flecken Italiens gehört und hier ein vorzüglicher Wein angebaut wird, den man auf seiner Entdeckungsreise unbedingt probieren sollte. Für die Region spricht auch, dass sie gar nicht so sehr touristisch überlaufen sind, wie andere Gegenden. Das Lehrreiche lässt sich hier so mit dem Köstlichen verbinden und ein entspannter Urlaub im Zeichen von Kultur, Geschichte und Natur genießen.
Bevor wir auf einen Streifzug durch das Land der Etrusker gehen wollen, hier noch ein paar Daten zu diesem recht unbekannten Volk, über das noch viel geforscht werden muss. So ist ihr Ursprung ungeklärt, fest steht aber, dass sie zwischen 1.000 und 800 v. Chr. in Zentralitalien lebten und zu den eher friedlichen Völkern gehörten. Im 6. Jahrhundert v. Chr. erlangten sie den Höhepunkt ihrer Macht und beherrschten den sagenhaften Zwölfstädtebund. Ihre Macht hatten sie durch eine kluge Bündnispolitik gefestigt und mit den anderen Mittelmeerkulturen pflegten sie einen regen Austausch. Insbesondere mit den alten Griechen gibt es viele Ähnlichkeiten und man beeinflusste sich gegenseitig in Kunst und Kultur. Die Etrusker waren zudem sehr geschickte Handwerker und für ihre Goldschmiede- und Bronzearbeiten sowie für die bemalten Keramiken bekannt.
Einige dieser Schätze kann man noch heute in verschiedenen Museen bewundern. Meist wurden diese Objekte als Grabbeigaben in den beeindruckenden Grabanlagen gefunden. Während die etruskischen Wohnhäuser meist aus Holz bestanden und später von den Römern zerstört wurden, kann man noch heute zahlreiche etruskische Gräber entdecken. Der Bestattungskult erreichte bei den Etruskern eine wahre Blüte und in den markanten Hügelgräbern wurden die Toten in teilweise aufwendig dekorierten Steingräbern bestattet und mit wertvollen Grabbeigaben ausgestattet.
Gehen wir also auf eine Reise durch die faszinierende Welt der Etrusker und entdecken die herrlichen Landschaften, in denen sie einst wohnten. Unsere Reise wollen wir dabei in Bolsena, in dessen Nähe Experten das religiöse Zentrum Fanum Voltumnae vermuten, beginnen. Die hübsche Stadt am Ufer des Bolsenasees wurde einst von den Römern gegründet, die hierher die Bewohner des eroberten etruskischen Ortes Volsinii umsiedelten. An den Ufern des herrlich sauberen Kratersees kann man wunderschöne Spaziergänge und Fahrradtouren machen oder auch einfach nur die Sonne am schwarzen Strand genießen und sich im frischen Nass erquicken. Über der Stadt thront die mittelalterliche Burg, in dem man auch ein interessantes Museum mit etruskischer Kunst findet.
Nach einem letzten Spaziergang durch die schmalen Gassen von Bolsena und einem kühlen Glas „Est! Est! Est!“, dem wunderbaren Weißwein der Region, soll es auch schon weiter gehen in die majestätisch auf einem Tuffsteinfelsen liegende Stadt Pitigliano. Diese aus Tuff erbaute Stadt thront hoch oben über die tiefen Schluchten der Bäche Lente und Meleta und liegt inmitten des etruskischen Stammlandes. Während man in der Stadt selbst zahlreiche beeindruckende mittelalterliche Gebäude, ein herrliches Aquädukt und eine Synagoge bewundern kann, lockt die Umgebung mit ihren zahlreichen etruskischen Spuren. Rund um die Stadt findet man viele sogenannte „Vie Cave“, die einst von den Etruskern in den Tuffstein gegraben wurden und ausgeklügelte Entwässerungssysteme besitzen. Dieses Wegesystem diente den Etruskern, um von der Stadt auf die andere Talseite zu gelangen. Interessant sind auch die zahlreichen Wanderwege, die zu den Grabstätten der Etruskern wie der berühmten „Tomba Ildebranda“ führen. Zwischen Pitigliano und Manciano findet man außerdem die Reste der etruskischen Siedlung „Poggio Buco“ und ein Museum, in dem man mehr über die Geschichte der Region erfährt.
Von Pitigliano geht es anschließend weiter Richtung Küste und wir machen einen Zwischenstopp in Saturnia, den Sie wahrscheinlich gern ein wenig verlängern. Denn ganz in der Nähe dieser ersten etruskischen Stadt befinden sich die herrlichen Thermalquellen, aus denen 37 Grad warmes, schwefelhaltiges Wasser strömt und sich über die einmalig schöne ‚Cascate del Mulino‘ ergießt. Das Baden in diesen natürlich geformten Sinterbecken ist kostenlos und ein einmaliges Erlebnis. Man kann sich aber auch in einem luxuriösen Kurzentrum verwöhnen lassen. Sicher nutzten auch schon die Etrusker diese wohltuenden Quellen und die Römer taten es ihnen nach. Im Ortszentrum findet man daher eine Thermalbadruine aus der Römerzeit.
Nach dem wohltuenden Bad in den natürlichen Whirlpools der ‚Cascate del Mulino‘ soll es schließlich an die berühmte Etruskerküste gehen, wo einige der wichtigsten Ausgrabungsstätten auf uns warten. Zunächst machen wir dem antiken Populonia unsere Aufwartung. Diese Siedlung war die einzige etruskische Stadt, die sich direkt an der Küste entwickelt hat und beherbergte zu seiner Zeit das größte Zentrum der Eisenverarbeitung im gesamten Mittelmeerraum. Dabei wurde Eisenerz, welches von der nahe gelegenen Insel Elba hergebracht wurde, verhüttet. In mehr als 800 Jahren (von 900 v. Chr. bis 100 v. Chr.) wurde hier über eine Million Kubikmeter Schlackenabraum produziert. Bei der Abtragung dieser Schlacke während des Ersten Weltkrieges kamen die ersten Tholos-Gräber ans Tageslicht und führten zur Wiederentdeckung des antiken Populonias.
Heute kann man in dem schönen archäologischen Park die große ‚Tomba dei Carri‘ bewundern. Dieses typische, aber ungewöhnlich große etruskische Kuppelgrab beherbergte einst zwei hölzerne, bronzeverkleidete Streitwagen. Neben diesem 28 Meter im Durchmesser großen ‚Tumulus‘ findet man noch zahlreiche weitere Grabstätten, Sarkophage und Totenhäuser. Auf der ‚Via del Ferro‘, der Eisenstraße, kann man außerdem mehr über die Erzverarbeitung lernen und die Reste der Werkstätten, Hochöfen und Schmelzrückstände besichtigen.
Weiter südlich, nur 87 km von Rom entfernt finden wir eine der wichtigsten etruskischen Städte. Nordöstlich des heutigen Tarquinia lag die etruskische Stadt Turchuna auf dem Hügel ‚La Civitá‘. Auf dem Gebiet des wichtigen Mitglieds des Zwölfstädtebundes findet man heute die Fundamente eines Tempels, „Altar der Königin“ genannt, die mit einer vollplastisch herausgearbeiteten Terrakottaplatte geschmückt war. Die Monterozzi-Nekropole mit ihren 6.100 in den Fels geschlagenen Grabkammern gehört seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe und besitzt etwa 150 mit Fresken ausgemalte Gräber, die für die etruskische Kunst besonders von Bedeutung sind.
Zum krönenden Höhepunkt unserer Etruskerreise fahren wir in die einst größte und bevölkerungsreichste Küstenstadt Süd-Etruriens – nach Cerveteri. Das antike Caere war allerdings 15-mal größer als die heutige Stadt und war noch bis zum Ende der Republik eine der wichtigsten Bildungsstädte. Jeder, der in Rom etwas auf sich hielt, musste seine Ausbildung hier vervollkommnen. Hier in Cerveteri befinden sich ebenfalls Ausgrabungsstätten mit zahlreichen Grabanlagen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Wer mag, kann von hier aus auch einen Ausflug in die Ewige Stadt Rom, dessen frühe Geschichte deutlich von den Etruskern geprägt worden war, machen. Im ‚Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia‘ findet man einige der wichtigsten etruskischen Kunstgegenstände und kann sich so von dieser bezaubernden Kultur verabschieden.