Berühmte Italienreisende
Wie groß die Bedeutung von Italien als Urlaubsland ist und damit auch für die Entstehung von so etwas wie ein Reisebedürfnis oder Italiensehnsucht, erkennt, wer schaut, was für Berühmtheiten schon nach Italien fuhren und wie sie diese Reisen künstlerisch verarbeiteten – eine Disziplin, die heute vielleicht so populär ist wie nie zuvor.
Wem ein einfacher Strandurlaub, vielleicht kombiniert mit einigen Abstechern in Basiliken und auf eine Stadtmauer, nicht reicht, weil er Spuren intensiver erfahren möchte, Geschichte erleben und wahre Geschichten mit dem Gesehenen in Einklang bringen will, der kann sich auf die Fährten früher Reisender begeben, schauen, wonach sie Ausschau gehalten haben und wandern, wo sie wanderten.
Es muss ja nicht gleich der Gang nach Canossa sein. Der durch den Papst mit dem Kirchenbann belegte Heinrich IV. soll, um Buße zu tun, von Speyer bis zur Burg von Canossa gepilgert sein. Papst Gregor VII fand hier, in der Nähe von Reggio nell’Emilia recht weit im Norden Italiens vor Widersachern Zuflucht. Ob Heinrich IV. wirklich nach Canossa gegangen ist und ob er überhaupt selbst im kompletten Bußeroutfit gegangen wäre, ist heute umstritten. Die Burgruine zumindest kann besichtigt werden.
Man muss es auch nicht wie der von Wolfgang Stumph in „Go Trabi Go“ gespielte Udo Struutz halten, der sich über den Familienrat hinweg eisern an die Fersen Goethes zu heften versucht. Es soll ja Spaß machen. Goethes Italienische Reise hat nach seinem Erscheinen Anfang des 19. Jahrhunderts viele Intellektuelle dazu inspiriert, Italien über eine Reise kennenzulernen. So eine Reise verlief seinerzeit noch etwas anders, sie war strapaziöser und länger, Goethe schildert beispielsweise eine Unternehmung, die von September 1786 bis in den Mai 1788 stattfand.
Abgesehen davon, dass die Reise selbst seinerzeit wesentlich beschwerlicher war, war Italien natürlich ein in Einzelteile zerfallenes, seiner einstigen Bedeutung beraubtes vorindustrielles Gebilde, dessen Charme man heute nicht mehr nachvollziehen kann – und Johann Wolfgang hätte sicher andere Sachen charmant gefunden als wir. Auf die Renaissance und ihre großen Stätten beispielsweise hat er sich nicht so konzentriert wie auf die große römische und griechische Vergangenheit, er verehrte die Römer als Baumeister und war total erleichtert, als er endlich mit der Arena von Verona ein erstes relevantes Zeugnis vor den Füßen hatte.
Bereits Jahrhunderte zuvor war es im europäischen Hochadel üblich, den Nachwuchs auf Grand Tour zu schicken. Den jungen Männern stellte man Aufpasser beiseite und ein Ziel, das meist darin bestand, das zu lernen, was gerade angesagt war. Da sich die Macht zur Goethezeit aber schon eine Weile nach Paris verlagert hatte, tourten auch die adeligen Jungen mit ihren Anstands-Wauwaus mehrheitlich gen Westen.
Für bildungsreisende Künstler und Wissenschaftler war Italien lange ein ganz wichtiger Ort der Inspiration und der Forschung. Der Archäologe Johann Joachim Winckelmann ist eine der berühmtesten Figuren, Karl Friedrich Schinkel studierte in Süditalien die Architektur der Magna Graecia, Felix Mendelssohn Bartholdy zog es nach Italien, Richard Wagner ebenfalls, es folgten Industrielle und Intellektuelle, die an der Amalfiküste und auf Capri regelrechte deutsche Kolonien bildeten.
Ende des 19. Jahrhunderts zogen Thomas und Heinrich Mann nach Rom, der Umfang literarischer Werke über Italienreisen aus den vergangenen Jahrhunderten ist gigantisch – und kann kaum nachgereist werden. Italienreisen waren natürlich lange nur wohlhabenden Kandidaten möglich und blieben es bis in die Kriege des 20. Jahrhunderts.
Erst später begannen die deutschen Normalbürger, den Geschichten der Intellektuellen nachzufahnden. 1946 sang Rudi Schuricke die im Krieg komponierten Capri-Fischer neu ein und löste eine nie dagewesene Italiensehnsucht aus. Zwei Millionen Deutsche machten sich 1955 auf den Weg über die Alpen, Camping boomte und der Wissenshunger war weitestgehend dem Bedürfnis nach Sonne und Meer gewichen.
Der Tourismus, für den Norditalien lange ein Transitland war, verlagert sich an die beiden Küstenstreifen des oberen Stiefels und an die großen Seen. Um Genua herum beispielsweise war Tourismus 1950 etwas völlig Neues, man war schlicht nicht darauf eingestellt, reagierte aber. Die damalige Art des Reisens ist in Zeiten des entweder oder, des Individualurlaubs oder Massentourismus am Strand, natürlich längst nicht mehr aktuell. Die komischen Seiten an dieser Zeit haben Heinz Erhardt in „Das kann doch unsren Willi nicht erschüttern“ und Gerhard Polt in „Man spricht deutsh“ hinlänglich geschildert.
Zwischen den Strandbädern und Discos der Adria gibt es übrigens noch Pensionen, die so aussehen wie jene in der Zeit der 60er und 70er Jahre. Neue Entdecker sind gefragt.